BAD HOMBURG | FRANKFURTER RUNDSCAHU | 09. JANUAR 2015
„Nie den Hamlet gespielt“
Von INGO SCHUBART
Die Tragik für den Schauspieler Joachim Brunke ist eigentlich der Umstand, dass er sein Gesellenstück nie auf der Bühne darbieten durfte. Vier Szenen aus der Shakespeare-Tragödie Hamlet musste der gebürtige Niedersachse draufhaben, als er im April 1960 in Alfeld bei Hannover seine Abschlussprüfung zum Schauspielerberuf absolvierte. Gewissenhaft bereitete er sich vor, mit Bedauern sagt er deshalb heute: „Den Hamlet habe ich nie gespielt.“ Für ein ehrenamtliches Wirken bei der Bad Homburger Volksbühne hat es allemal gereicht, und dafür hat er die Silberne Ehrennadel des Magistrats bekommen.
Man hört dem Mann mit dem schlohweißen Haar und den tiefblauen Augen einfach nur gerne zu. Seine Sprache ist ihm wichtig, seine Artikulation. Worte, in denen der Buchstabe R vorkommt, werden besonders betont. Dieses rollende R, welches man von Schauspielern wie Klaus Maria Brandauer kennt, ist das Markenzeichen des klassischen Schauspielers, erklärt der 78-Jährige: „Sie müssen vorne sprechen.“
Brunke scheint für den Beruf des Schauspielers die besten Voraussetzungen besessen zu haben, auch wenn seine Eltern das damals ganz anders sahen. „Ich komme aus einer ganz einfachen Arbeiterfamilie“, erzählt er. Sein Vater sei Kesselschmied gewesen und absolut gegen die „brotlose Kunst“, zu der es seinen Sohn hinzog. Doch Joachim Brunke entpuppte sich als „fantastischer Textauswendiglerner“, wie der sonst eher bescheidene Mann sagt.
Erste Gage: 500 Mark
Aus der Nähe von Hannover stammend, wo bekanntermaßen das reinste Hochdeutsch gesprochen wird, ging er nach Hamburg, um bei Richard Münch Schauspielunterricht zu nehmen. Sein erstes Engagement bekam er im schleswig-holsteinischen Neumünster – für eine Gage von 500 D-Mark. „Das war ein sensationelles Gehalt im Jahr 1960.“ Über Lübeck und Darmstadt kam Brunke dann 1966 nach Frankfurt.
In jenen Jahren war Claus Peymann Intendant des Frankfurter Theaters am Turm. Es waren anarchistische Zeiten, in denen, wie Brunke sagt, „die Schauspieler den Intendanten geprügelt haben“.
Nach Bad Homburg kam Brunke im Jahr 1998, als es dort noch die Kammerspiele gab. Und auch hier erlebte der Schauspieler das, was er meint, wenn er von dem „schönen Scheißberuf“ spricht: „Man hat keine Sozialabgaben für uns gezahlt und das Theater wurde dichtgemacht.“
Auch eine bundesweite Tournee mit Heinz Schenk im Jahr 1990 endete abrupt. Im Sommer zogen US-Truppen gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein ins Feld; die Tournee wurde im Licht der Angst vor einem globalen Krieg abgesagt. Apropos Tourneen: Brunke erklärt, dass die das anstrengendste überhaupt seien. „Sie kommen um halb elf von der Bühne und morgens geht es um sieben Uhr weiter.“ Nur wenige Jahre laufende Verträge geben dem Beruf zwar ihren Reiz, können aber auch belasten.
Das schönste sei dagegen, Figuren auf der Bühne auszugestalten, einen Vorgang, den Brunke „in die Rolle reinkommen“ nennt. Der Mann, der auch in den Fernsehsendungen „Ich bin Boes“ und „Lenßen und Partner“ mitgewirkt hat, spart nicht mit Kritik an seinen Schauspielkollegen. „Sprechen, wie wir es damals gelernt haben, können die meisten nicht.“
So sehr Joachim Brunke seinen Schauspielkollegen Klaus Maria Brandauer verehrt, so sehr strengt es ihn an, Til Schweiger zuzuhören. Brunkes einfaches Fazit: „Der nuschelt.“